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Der Handlauf eines Geländers ist burgunderrot gefasst. Als sich windende Linie durchmisst er in glänzendem Farbauftrag das Treppenhaus eines Berliner Altbaus, ohne die kleinen Abnutzungen im Holz, die Spuren der Zeit, zu leugnen. Das in diesem Kontext ungewöhnliche Burgunderrot bildet einen Kontrast zum Schwarzblau des Bodens – ein Kontrast, der die Farben wechselseitig intensiviert. Zugleich allerdings wird dieser Kontrast durch einen naturfarbenen Kokosläufer sensibel vermittelt.

In enger Zusammenarbeit mit den Nutzerinnen und Nutzern von Räumen entwickelt und realisiert Anna Gollwitzer Gestaltungskonzepte für Wohnungen, Büros, Praxen und Treppenhäuser. Dabei fließen ihre Perspektive und ihre Erfahrungen als Künstlerin entscheidend in die Gestaltungen ein. Von der Bildhauerei kommend hat sie sich intensiv mit dem Verhältnis von Körper und Raum beschäftigt. Gollwitzer ist auch ausgebildete Tänzerin und ihren Projekten als bildende Künstlerin liegt ein performatives Verständnis von Raum zugrunde – ein Verständnis, das den Raum als fluides und sich immer neu konstituierendes Beziehungsgeflecht zwischen Wahrnehmung, Nutzung und historischer Bedingtheit begreift.

Mit ihren Innenraumgestaltungen überträgt Anna Gollwitzer dieses Verständnis auf den angewandten Bereich. Skulpturale Setzungen in Räumen – ob architektonisch vorgegeben oder eigens entworfen – spielen dabei eine ebenso wichtige Rolle wie der sensible Umgang mit Oberflächen und linearen Werten. Vor dem Hintergrund ihrer intensiven Beschäftigung mit Farbtheorien, insbesondere mit der Farblehre von Johannes Itten, lotet Gollwitzer Kontraste, Gewichte und Temperaturen von Farben aus. Dahinter steht die Überzeugung, dass Räume Lebensräume sind, die durch Wahrnehmung und Gebrauch aktiviert und sinnlich erfahrbar werden.

Was von der Sprechakttheorie der 1960er Jahre ausging, dann für das Theater und die Bildende Kunst entscheidend war und seit einigen Jahren auch Entwicklungen in der Architektur prägt, bezieht Anna Gollwitzer auf die Gestaltung von Innenräumen. Ihr präziser Umgang mit Farbe, Licht und Material sowie ihre enge Abstimmung mit denjenigen, die die Räume nutzen und bewohnen, zielen auf emotionale und körperliche Wahrnehmungen. Denn Räume existieren nicht von uns unabhängig, wir prägen sie durch unser Handeln und sie gehören unmittelbar zu unserem Befinden, wenn wir in ihnen leben und arbeiten. Aber auch bereits dann, wenn wir eine Treppe hinaufsteigen.

Claudia Beelitz
November 2021

Nähere Infos unter: email@annagollwitzer.com