Sprachgestalten

image is a tender word

wordworkwonder

museum on the roll

Schau, it talks to you
Katalog Anna Gollwitzer

28 Seiten, Farbe
Städtische Galerie Delmenhorst 2004

zur Ausstellung OH, WHAT A WORDWORKWONDER
mit einem Text von Silke Feldhoff:
wordworkwonder



Buchansicht
wordworkwonder

dt. engl. pdf/dt.
wordworkwonder -------------------------------
Ambivalentes Faszinosum und tautologischen Schleifen:
Anna Gollwitzers Wort-Skulptur-Inszenierungen.


Anna Gollwitzer traut dem Wort Einiges zu – und traut ihm doch nicht so recht über den Weg. Losgelöst von einem etwaigen Sprecher stellen Worte in jedem Fall ein Gegenüber dar, dessen sich die Künstlerin als eines Faszinosums mit durchaus ambivalenten Qualitäten annimmt. Zu dem seit Jahren ihre Arbeiten bestimmenden Interesse an kommunikativen Prozessen, sei es aus kultursoziologischer, psychologischer oder (sprach-) philosophischer Sicht, gesellt sich eine gewisse Skepsis gegenüber der Sprache und ihrem Gebrauch, genauer: ihrer Definitionsmacht, Zuschreibungsqualität, ihrem oftmals nur verschwommen faßbaren emotiven Gehalt, besonders aber der immanenten Vieldeutigkeit sprachlicher Zeichen gegenüber. Ein Diskurs über Sprache, über Kommunikation ist immer auch ein Diskurs über Macht. Anna Gollwitzer ist Teil dieses Diskurses. Ihre Worte und Satzzeichen besetzen einen Ort, sie rahmen, modifizieren oder prägen eine Situation, einen gegebenen Kontext. Worte tun immer erst einmal, als seien sie absolut und unumstößlich, so auch die ihren; tatsächlich aber stellt sich heraus, dass Anna Gollwitzers Wort-Skulpturen in mehrerlei Hinsicht inmitten eines mehrdimensionalen Gefüges aus miteinander verspannter Bezugsachsen, Perspektiv-Optionen und (z.T. antagonistischen) Bedeutungsebenen angesiedelt sind - was nicht nur den genannten Absolutheitsanspruch relativiert, sondern auch und vor allem Besucher dazu bringt, ihren Standpunkt zu reflektieren und sich den Wort-Skulpturen gegenüber zu positionieren. Zuschreibungen sind in ihrer Bedeutung variabel – je nach Sprechsituation, Kontext, Befindlichkeit, Sprechaktbeteiligten kann sich ihr Gehalt gravierend verschieben. Dennoch brauchen wir sie zur Verständigung, allerdings eingedenk der Tatsache, dass es sich dabei allerhöchstens um etwas Vorläufiges handeln kann! Statt, was unbefriedigend wäre, die gängigen sprachphilosophischen Diskurse visuell attraktiv zu illustrieren, formuliert Anna Gollwitzer ein GEGENÜBER. Sie zitiert Zuschreibungen als Festschreibungen, um diese als soziale Konstruktionen und Konventionen, wie Sprache dies auch ist, mindestens infrage zu stellen, wenn nicht gar aufzubrechen. Anna Gollwitzers Wort-Skulpturen sind Zeichen, also: Medien der Kommunikation. Sie sind Stimulanzien kommunikativer Prozesse. Und ihre Objekte sind gedacht als Kommunikationspartner, zu dem sich Benutzer, dann als Teil des “wordworkwonder”s, in Beziehung setzen. Diese praktizierte Kommunikation über Kommunikation ist eine herrliche Tautologie – die es gilt, als produktive Denkschleife zu feiern. Anna Gollwitzers analytische Arbeitweise zielt darauf ab, Sprache und Kommunikation in ihren vielen Facetten intellektuell faßbar und darüberhinaus körperlich und emotional fühlbar zu machen. Durch ihre sinnliche Konkretisierung werden Worte zu Skulpturen und zu Zeichen im Raum – damit haben sie das Potential, als Modell einer Wirklichkeitswahrnehmung, als Instrument der Analyse oder auch, wie die Künstlerin sich ausdrückt, als “Beschreibungsmodul” unterschiedlicher thematischer wie formaler Konstellationen gelesen zu werden. Dass sie dabei so selbstbewußt wie selbstverständlich ihre Position inmitten der diversen Diskurse behaupten, macht Anna Gollwitzers ‚wordworkwonder‘ zu einer steten Herausforderung für den Betrachter – und macht eine der wesentlichen künstlerischen Qualitäten ihrer Wort-Skulpturen aus. “Die Sprache verkleidet den Gedanken. Und zwar so, dass man nach der äußeren Form des Kleides nicht auf die Form des bekleideten Gedankens schließen kann.” (Ludwig Wittgenstein) In zahlreichen Ausstellungen zeigte Anna Gollwitzer bisher ihre künstlerischen Untersuchungen und Stellungnahmen zu den Themenkomplexen ‚Sprache‘ und ‚Kommunikation‘. Dabei zieht sich die Koppellung performativer Strategien mit diversen Objekt-Konstellationen wie ein roter Faden durch ihre Arbeit, wenn sich auch der Fokus von performativ-situativen Settings wie z.B. bei “talktv” zunehmend in Richtung skulpturaler Setzungen verschiebt, die allerdings weiterhin wesentlich den Umraum / Kontext und vor allem auch den Betrachter als konkreten Benutzer ihrer Objekte miteinbeziehen. Parallel dazu erstellt sie Videos, die mit verschiedenen Protagonisten mögliche Wege eines Umganges mit Worten, Wort-Objekten und (Kommunikations-) Situationen durchspielen. Diese zeigen exemplarische Handlungsoptionen, bei denen das Sich-Positionieren gegenüber etwas Gesagtem/Geschriebenen als nicht nur intellektueller, sondern gerade auch als ein körperlicher Prozeß zu begriffen wird. Von frühen Videoarbeiten wie “silent talk” (1999) über “talktv” (1998 – 2001), popfeministische Aktionen wie “fighting for you” (New York 2001), wichtigen Einzelausstellungen wie “Schau, it talks to you!” (KV Braunschweig 2002) oder auch den Satzzeichen (2003) bis hin zu ihren aktuellen Wort-Skulpturen transportiert Anna Gollwitzer Sprache und Kommunikation als etwas Prozessuales, immer wieder neu Auszutarierendes – immer eingedenk des Wissens, dass jede Konkretisierung eine Festschreibung darstellt, die sie in ihren Arbeiten und durch ihre Arbeiten wiederum verflüssigt.
Silke Feldhoff